Im digitalen Zeitalter haben sich die sozialen Medien längst als ernstzunehmender Wirtschaftszweig etabliert. Plattformen wie Instagram, YouTube oder TikTok haben eine neue Berufsgruppe hervorgebracht: Influencer. Sie erreichen mit ihren Beiträgen Millionen Menschen, werben für Produkte, kreieren Trends – und verdienen damit teilweise beachtliche Summen. Doch hinter der glänzenden Oberfläche von perfekt inszenierten Fotos, Luxusreisen und Kooperationen mit renommierten Marken verbirgt sich ein wachsendes Problem: Steuerhinterziehung. Insbesondere in Deutschland geraten zunehmend Influencer ins Visier der Finanzbehörden. Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und Strafverfahren zeigen, dass dieser Wirtschaftszweig nicht länger eine Grauzone ist. Vielmehr offenbaren sich massive Verstöße gegen steuerliche Pflichten – mit teils dramatischen Konsequenzen.
Die Enthüllungen aus Nordrhein-Westfalen: Ein Weckruf für die Branche
Im Sommer 2025 wurde bekannt, dass das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen gegen mehr als 200 professionelle Influencer wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Die Ermittler gehen von einem potenziellen Steuerschaden von rund 300 Millionen Euro aus – eine Summe, die verdeutlicht, wie lukrativ die Szene geworden ist. Die Spezialisten analysieren inzwischen über 6.000 Datensätze von Influencern, um Einnahmen, Kooperationen und Vermögensverhältnisse zu überprüfen. Im Fokus stehen nicht kleine Content Creator mit gelegentlichen Produktplatzierungen, sondern solche Persönlichkeiten, die monatlich teils fünfstellige Beträge einnehmen – und dennoch keine Steuern zahlen.
Dabei zeigt sich ein differenziertes Bild: Einige Influencer scheinen aus Unwissenheit versäumt zu haben, sich steuerlich korrekt aufzustellen. Andere hingegen agieren mit bewusster krimineller Energie – ohne Steuernummer, ohne Gewerbeanmeldung, ohne Buchführung. Diese Diskrepanz stellt nicht nur ein rechtliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem dar, denn mit jedem hinterzogenen Euro geht dem Staat Geld verloren, das für Infrastruktur, Bildung und Soziales gebraucht wird.
Was genau müssen Influencer versteuern?
Grundsätzlich gelten Influencer aus steuerlicher Sicht als selbstständige Unternehmer. Wer regelmäßig Einnahmen über Werbung, Affiliate-Links, Produktplatzierungen oder Sachleistungen generiert, unterliegt den gleichen steuerlichen Pflichten wie jeder andere Unternehmer auch. Dazu gehören:
- Einkommensteuer: Ab dem ersten Euro Gewinn gilt eine grundsätzliche Steuerpflicht. Zwar fällt unter dem Grundfreibetrag von derzeit etwa 11.000 € keine Steuer an, aber eine Steuererklärung ist dennoch in den meisten Fällen erforderlich – besonders, wenn die Tätigkeit auf Dauer und mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.
- Gewerbesteuer: Sobald ein Influencer mehr als 24.500 € Gewerbeertrag im Jahr erzielt, wird zusätzlich Gewerbesteuer fällig. Hierbei ist auch die Anmeldung eines Gewerbes bei der Stadtverwaltung unumgänglich.
- Umsatzsteuer: Bereits ab einem Jahresumsatz von mehr als 22.000 € entfällt die Kleinunternehmerregelung. Ab dann müssen Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer geschrieben und regelmäßig Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben werden.
- Sachleistungen und Geschenke: Auch kostenlose Produkte, Einladungen zu Events oder gesponserte Reisen gelten steuerlich als geldwerter Vorteil. Der Marktwert dieser Leistungen muss angegeben und gegebenenfalls versteuert werden.
Diese Pflichten sind den wenigsten jungen Influencern zu Beginn ihrer Karriere vollumfänglich bewusst. Doch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Wer Einkünfte verschweigt, macht sich unter Umständen wegen Steuerhinterziehung strafbar – und das kann empfindliche Strafen nach sich ziehen.
Steuertricks und Wohnsitzverlagerung: Legal oder illegal?
Ein weiteres Phänomen, das bei Influencern zunehmend zu beobachten ist, ist die Verlagerung des Wohnsitzes in sogenannte Steueroasen – etwa nach Dubai. Der Stadtstaat am Persischen Golf lockt mit steuerlichen Vorteilen: Es gibt dort weder Einkommensteuer noch eine klassische Umsatzsteuer für viele Berufsgruppen. Das mag auf den ersten Blick attraktiv wirken. Doch viele Influencer, die ihre Hauptzielgruppe, ihre Kunden und ihre Werbepartner weiterhin in Deutschland haben, bleiben steuerpflichtig – selbst wenn sie sich offiziell abmelden.
Denn ausschlaggebend für die Steuerpflicht ist nicht allein der gemeldete Wohnsitz, sondern der sogenannte „gewöhnliche Aufenthalt“. Wer beispielsweise weiterhin regelmäßig in Deutschland lebt, produziert, arbeitet oder wirtschaftlich aktiv ist, wird vom Finanzamt hierzulande zur Kasse gebeten. Der Versuch, die Steuerpflicht durch eine bloße Adressänderung zu umgehen, kann schnell als Steuerflucht gewertet werden – mit allen damit verbundenen strafrechtlichen Konsequenzen.
Konkrete Ermittlungen: Der Fall NRW und prominente Beispiele
Die Ermittlungen aus Nordrhein-Westfalen werfen ein Schlaglicht auf ein strukturelles Problem. Über Jahre hinweg haben sich viele Influencer offenbar in der trügerischen Sicherheit gewiegt, dass ihre Einnahmen im Netz nicht nachvollzogen werden könnten. Doch durch spezialisierte Teams, die systematisch Daten auswerten – inklusive Social-Media-Aktivitäten, Werbung, Kooperationspartnern und Finanztransaktionen – wird deutlich: Auch digitale Einnahmequellen sind längst kein rechtsfreier Raum mehr.
Prominente Beispiele zeigen dies eindrucksvoll. Der Fall des Influencers Simon Desue, der bereits früher wegen undurchsichtiger Wohnsitzverhältnisse und steuerlicher Fragestellungen in der Kritik stand, ist nur einer von vielen. Auch international gab es Aufsehen, als gegen Chiara Ferragni wegen vermeintlich unlauterer Spendenkampagnen und steuerlicher Unregelmäßigkeiten ermittelt wurde. Diese Fälle führen vor Augen, dass selbst bekannte Persönlichkeiten nicht vor Strafverfolgung geschützt sind.
Die Konsequenzen bei Steuerhinterziehung
Wer Einnahmen vorsätzlich verschweigt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Die Bandbreite reicht von Nachzahlungsforderungen über Bußgelder bis hin zu Freiheitsstrafen. In schwerwiegenden Fällen sind mehrere Jahre Gefängnis möglich. Hinzu kommen Reputationsschäden, verlorene Kooperationen und das Vertrauen der Community, das oft nur schwer wiederherzustellen ist.
Dabei bietet das deutsche Steuerrecht durchaus Möglichkeiten zur Korrektur: Eine rechtzeitige Selbstanzeige – bevor das Finanzamt Ermittlungen aufnimmt – kann strafbefreiend wirken. Allerdings muss sie vollständig, rechtzeitig und nachvollziehbar sein. Professionelle Unterstützung durch Steuerberater oder spezialisierte Rechtsanwälte ist dabei unerlässlich.
Verantwortung und Prävention: Wie Influencer sich korrekt verhalten können
Influencer, die langfristig erfolgreich sein wollen, sollten das Thema Steuern nicht auf die leichte Schulter nehmen. Eine seriöse Social-Media-Präsenz umfasst nicht nur kreative Inhalte und geschicktes Marketing, sondern auch unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein. Dazu gehören:
- Frühzeitige Gewerbeanmeldung
Schon bei den ersten Einnahmen sollte geprüft werden, ob eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt. - Professionelle Buchführung
Alle Einnahmen und Ausgaben sollten systematisch erfasst und belegt werden. Digitale Tools und Apps können hierbei unterstützen. - Steuerliche Beratung
Ein erfahrener Steuerberater kennt die Besonderheiten des Influencer-Geschäfts und kann rechtssichere Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen. - Korrekte Deklaration von Sachleistungen
Geschenke, Reisen, Einladungen und andere geldwerte Vorteile müssen genau bewertet und versteuert werden. - Verantwortungsvoller Umgang mit Wohnsitzverlagerung
Wer überlegt, ins Ausland zu ziehen, sollte sich rechtzeitig über die steuerlichen Folgen informieren und lückenlose Nachweise erbringen.
Ausblick
Das Influencer-Geschäft ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern Teil einer milliardenschweren Wirtschaft. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten – von den Content Creators über Agenturen bis hin zu Plattformbetreibern – ihre Rolle ernst nehmen. Steuerehrlichkeit ist keine Frage von Moral, sondern eine rechtliche Verpflichtung. Die aktuellen Enthüllungen aus Nordrhein-Westfalen sollten deshalb nicht nur eine Warnung sein, sondern auch ein Anlass zur Professionalisierung. Wer transparent wirtschaftet, schützt nicht nur sich selbst vor Ermittlungen, sondern trägt auch dazu bei, dass das Influencer-Marketing in Deutschland langfristig als seriöse Branche wahrgenommen wird.
Glamour, Reichweite und Einkommen sind nur dann wirklich nachhaltig, wenn sie auf einer stabilen, rechtskonformen Grundlage beruhen – auch und gerade im digitalen Raum.